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Die Orthodoxen Kirchen kämpfen in Kiew um die Lawra im Ukraine-Krieg


Wem gehört das Kiewer Höhlenkloster? Zwei umstrittene Kirchen, ein verhasster Abt und ein Staat auf dünnem Eis

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Der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats droht der Rauswurf aus ihrem wichtigsten religiösen Zentrum. Leicht durchzusetzen ist dieser aber nicht.

Gläubige protestieren am 31. März gegen die drohende Ausweisung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.

An normalen Tagen ist das Höhlenkloster in Kiew ein ruhiger Ort. Neben schwarzgekleideten Mönchen und Gläubigen verirren sich höchstens ein paar Touristen auf das weitläufige Gelände dieses Unesco-Weltkulturerbes. Doch letzte Woche kam es in dieser Wiege der ostslawischen Orthodoxie zu lauten Protesten verschiedener Gruppen: Ihre Unterstützer wollen den Rauswurf der als kremlnah geltenden Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats verhindern. Ihre Gegner fordern just diesen.

Gleichzeitig gingen die Sicherheitskräfte gegen den umstrittenen Klostervorsteher Abt Pawel vor: Wegen des Verdachts auf «Schürung interreligiöser Feindschaft» und «Rechtfertigung von Russlands Aggression» durchsuchte der Geheimdienst SBU dessen Wohnung. Am Samstag stellte ihn ein Gericht in der ukrainischen Hauptstadt für 60 Tage unter Hausarrest.

Gekündigte Verträge

Diesen muss er ausserhalb des Klosters absitzen, da die Behörden die Präsenz seiner Kirche in der «Lawra» als illegitim betrachten. Den Pachtvertrag für deren oberen Teil, der zu einem staatlichen Freilichtmuseum gehört, beendeten sie Ende Jahr. Die «untere Lawra» kontrolliert die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats seit 35 Jahren. Rechtlich ist sie aber Mieterin, ohne zu bezahlen. Diesen Vertrag hat der Staat auf Ende März gekündigt.

Pawel, der umstrittene Abt des Kiewer Höhlenklosters.

Pawel und seine Geistlichen betrachten die Entscheidung als politisch motiviert und weigern sich, das Gelände zu verlassen. Der ukrainische Staat verzichtet bis anhin darauf, die Ausweisung mit Gewalt durchzusetzen, um den Vorwürfen der religiösen Verfolgung keinen Auftrieb zu verleihen. Rechtlich steht das Vorgehen zudem auf eher schwachen Füssen. Geht das Verfahren den korrekten Instanzenweg durch die notorisch überlasteten Gerichte, können sich die Mönche ausrechnen, dass sie noch Jahre auf dem Gelände bleiben können.

Dass es sich aber um eine hochpolitische Frage handelt, bestreitet in der Ukraine grundsätzlich kaum jemand: Es geht darum, ob das Land den Verbleib einer Kirche, die sich erst unter dem Eindruck von Wladimir Putins Angriff im letzten Jahr vorsichtig von ihren Patrons in Moskau distanziert hat, im symbolischen Zentrum der Hauptstadt tolerieren will.

Während sein Vorgänger Petro Poroschenko die religiöse Frage 2018 mit der Gründung der staatsnahen Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) politisierte, wich Präsident Wolodimir Selenski erst im letzten Herbst von seiner zögerlichen Haltung ab. Er sprach sich für ein Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats aus, unterstützte die Nichtverlängerung der Pachtverträge und belegte führende Kirchenmänner mit Sanktionen.

Louis Vuitton und Patek Philippe

Zu ihnen gehört auch Abt Pawel, der vielen Ukrainern als Inbegriff aller Übel des Moskauer Patriarchat gilt: Über Jahre sonnte er sich im Glanz Putins, der ihn mit einem Orden auszeichnete. Als Pawel am Wochenende auftrat, um sich gegen die Ausweisung aufzulehnen, trug er nicht nur einen Louis-Vuitton-Schal, sondern auch eine Patek-Philippe-Uhr im Wert von fast 40 000 Euro. In einem vom SBU veröffentlichten Telefongespräch hatte der Abt Freude über die Besetzung Chersons geäussert und den Angriff auf die Ukraine als «Krieg zwischen Amerika und Russland bis zum letzten Ukrainer» bezeichnet.

Allerdings sind nicht alle Vertreter der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats so verhasst wie Pawel. Vielmehr gibt es auch zahlreiche Stimmen, die sich patriotisch äussern. Gerade im Osten des Landes bleibt die Kirche relevant, ein Vorgehen mit dem Vorschlaghammer birgt deshalb auch das Risiko, gewisse Bevölkerungsschichten Russland zuzutreiben. Trotz Krieg und politischem Druck sind die Gläubigen bisher auch nicht in Massen zur OKU übergetreten, die das Gelände des Höhlenklosters gerne übernehmen würde.

Der Kulturminister hat in der Vergangenheit angedeutet, dass eine Entfernung Pawels aus der Führung des Höhlenklosters einen Kompromiss darstellen könnte, der eine Ausweisung seiner gesamten Kirche verhindern könnte. Es wäre ein gesichtswahrender Ausweg aus einer Situation, in der beide Seiten viel zu verlieren haben. Die Alternativen sind eine Weiterführung der bisherigen juristischen Manöver oder ein Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats – mit allen innen- und aussenpolitischen Risiken.

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Author: Ronald Moses

Last Updated: 1700242682

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